Mindert ein Produktbestand beim Kunden das Risiko für Lieferengpässe? Was bedeutet das für das Produktdesign, Kundenbeziehungen und Produktrücklaufprozesse? Antworten lieferten zwei spannende Praxisbeispiele und eine angeregte Diskussion.
In der sechsten Ausgabe der Veranstaltungsreihe fokuskreislaufwirtschaft unterhielten sich die Teilnehmenden über das Thema Kreislaufwirtschaft und resiliente Lieferkette. Einige Elemente möchten wir hier kurz zusammenfassen:
Eingangs erläutert Raphael Fasko von der Rytec AG, was unter dem Begriff “Kreislaufwirtschaft” verstanden wird. Besonders zentral sei es, die 6 Designprinzipien der Kreislaufwirtschaft bereits im Produktdesign zu implementieren. Nur so kann aus der Wegwerfwirtschaft ein Kreislauf entstehen.
Dazu passt das Kredo von Ursula Grunder, Siemens Schweiz: “weniger Abfall produzieren und weniger Energie verschwenden.” Auch sie bestätigt, dass der Kreislaufgedanke bereits bei der Planung und Herstellung eines Produktes unerlässlich ist. In ihrer Funktion als Leiterin EHS Europe setzt sie sich seit Jahren für die Revision und das Recycling von ausgedienten Rauchmeldern ein. Nach 8 Jahren muss jeder Rauchmelder aus Sicherheitsgründen ausgetauscht werden. Anstatt sie zu entsorgen, werden die Geräte ins Elsass transportiert, wo sie gereinigt, aktualisiert und neu kalibriert werden. So wird der Lebenszyklus der Melder verdoppelt. Die Kunden schätzen diesen Service. Mit Lieferengpässen muss Siemens dabei nicht rechnen: Die Produkte müssen ja nicht um die halbe Welt geschifft werden, sie warten bereits fast vor der Haustüre auf ihre Revision.
Der Holländische Bettenhersteller Koninklijke Auping ist ein Familienbetrieb, heute wie vor 130 Jahren bei der Gründung. Stolz verkündet Mark Groot Wassink, Manager Business Development, der live aus Holland zugeschaltet wurde, dass das Unternehmen dieses Jahr die erste 100% zirkuläre Matratze auf den Markt gebracht hat. Der Kern ist auch hier wieder das Produktdesign: die Matratze besteht nur aus Polyester und Metall, ist frei von Schadstoffen und einfach zerlegbar. Wenn sie als Schlafunterlage ausgedient hat, wird das Polyester zerkleinert, und geschmolzen. Das so entstandene hygienisch einwandfreie Granulat wird verwendet, um neues Garn herzustellen. Aus dem aufbereiteten Metall werden wieder “neue” Taschenfedern. So wird im Radius von nur 300 km aus einer alten eine neue Matratze, die nicht auf Zulieferer angewiesen ist. Die Matratzenbranche könnte auf diese Weise revolutioniert und die europaweit jährlich 40 Millionen weggeworfenen Matratzen zu Rohstofflagern werden. Für Mark Groot Wassink ist deshalb klar, Kreislaufwirtschaft verlangt ein komplett neues Business Modell.
So unterschiedlich die beiden Produkte sind, unsere Fachleute sind sich in vielen Punkten einig:
- Kreislaufwirtschaft beginnt im Produktdesign
- Politische Rahmenbedingungen begünstigen die Entwicklung weg von der Wegwerfwirtschaft
- Kreislaufwirtschaft muss sich für Unternehmen finanziell lohnen
- Oft sind kreative Denkansätze gefragt
- Das Verständnis der Mitarbeitenden und der Führungsebene ist zentral
In Diskussionsgruppen und Fragerunden sind die Teilnehmenden noch tiefer in die Thematik eingetaucht.